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Geschwister: Zwei Arme eines Flusses

Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Paten von Back to Life,

Geschwister sind wie zwei Arme eines Flusses: Aus derselben Quelle über alle Untiefen hinweg miteinander verbunden. In Deutschland kennen wir nur Mutter- und Vatertag. In Nepal wird heute zusätzlich Raksha Bandhan gefeiert, das Fest der geschwisterlichen Verbundenheit. Wörtlich übersetzt bedeutet es „schützende Verbindung“ und feiert mittlerweile viel mehr als nur die eigene Familie.

Durch Segensbänder ewig schützend verbunden

Schwestern knüpfen für ihre Brüder kunstvolle Armbänder („Rakhis“) und lassen diese segnen, indem sie sie mehrere Tage auf den Hausaltar legen. Raksha Bandhan ist ein Familienfest mit gegenseitigen Besuchen und Geschenken.

Die Geschwister wünschen einander ein langes Leben, Schutz vor Krankheit und Sünde. Sie verpflichten sich zu lebenslangem Beistand. Das Rakhi-Band symbolisiert Segen und Reinheit. Daher hat es auch keinerlei amourösen Unterton. In der nepalesischen Tradition des Festes können Frauen folglich jedem Mann guten Gewissens ein solches Armband schenken – Rakhi-Bruder bleibt man ein Leben lang. Frauen, die heiraten, können so den Gefährten ihrer Kindheit und Jugend an sich binden und symbolisch sagen: „Lass uns Freunde bleiben!“ Das ist in der traditionell geprägten Gesellschaft Nepals nicht selbstverständlich.

Fest göttlichen Ursprungs

Wie nahezu alles im Himalaya hat auch dieses Fest einen religiösen Ursprung, um den sich zahllose Mythen ranken.

Eine davon gefällt mir besonders gut: Vishnu, einer der drei Hauptgötter unter den Millionen des hinduistischen Pantheons, musste auf die Erde, um das Königreich eines gläubigen Herrschers zu schützen. Lakshmi, Vishnus Frau, vermisste ihren Mann und verwandelte sich deswegen in eine arme Priesterin. Dergestalt suchte sie Zuflucht am Hofe des Königs, den zu schützen ihr Mann Vishnu auf die Erde gekommen war. Am Vollmondtag band sie dem König das Band geschwisterlicher Liebe ans Handgelenk und offenbarte dabei ihr wahres Ich. Der König war gerührt über so viel Liebe und Lakshmis Sorge um ihren Mann.

In anderen Erzählungen macht das Band den Mann im Kampf unverwundbar, ruft zu Hilfe und Beistand auf oder garantiert ewiges Leben.

Dem Bruder auf die Beine helfen

In allen Mythen geht es um Liebe, Schutz und Fürsorge. Das habe ich in unserem Projektgebiet Mugu im entlegenen Himalaya hautnah miterleben dürfen:

Bali Rokaya hat durch Wundbrand beide Beine verloren. Im Rahmen unseres Selbsthilfe-Projektes haben wir ihm 2020 ermöglicht, einen kleinen Lebensmittel-Laden in seinem Heimatdorf Saina zu eröffnen. Seine Schwester Pashupati wohnt mit ihrem Mann und drei Kindern in einem benachbarten Bergdorf. Den zweistündigen gefährlichen Weg nimmt sie für ihren Bruder immer wieder auf sich.

Obwohl sie sich selbst um Haushalt, Familie und ihr Stück Land kümmern muss, hilft sie Bali so oft sie kann. Back to Life hat ihm Beinprothesen anpassen lassen und eine monatelange Physiotherapie in Kathmandu finanziert. Währenddessen hielt Pashupati den Laden ihres Bruders aufrecht. Sie steht Bali immer zur Seite.

„Ich bin sehr glücklich, dass Bali ein eigenes Geschäft hat. Als er beide Beine verloren hatte, glaubte ich, sein Leben sei zu Ende. Ich habe mir nie vorstellen können, dass mein Bruder wieder gehen, sein Geschäft betreiben und sogar seine Familie ernähren kann. Er verrichtet seine täglichen Aktivitäten selbst. Er streift sogar in der Gegend um das Dorf herum. Ich bin unendlich stolz auf ihn!“

Auch Pashupati selbst profitiert von unserer Arbeit in den Bergen des Himalayas: Im Shreekot Geburtshaus hat sie an den monatlichen Gesundheits- und Hygienekursen unserer Hebammen teilgenommen. Im Dezember 2022 bekam ihre Familie von uns einen rauchfreien Ofen für die Küche. Das ist kein Luxus, sondern überlebensnotwendig: Weil die Räume sehr klein sind und wegen der Kälte nur wenige Fensterchen haben, säßen die Frauen sonst den ganzen Tag im giftigen Rauch des offenen Feuers, wenn sie kochen…
Die ganze Geschichte finden sie auf unserer Homepage unter diesem Link:

Fest der Mitmenschlichkeit

Heutzutage geht es bei Raksha Bandhan um mehr als nur geschwisterliche Liebe. Nachbarn, Freunde, Polizisten – sie alle bekommen Rakhis. Vorausgesetzt, man mag sie aufrichtig und wünscht ihnen Glück! Rabindranath Tagore – erster asiatischer Literatur-Nobelpreisträger, Poet und Mitstreiter Gandhis im indischen Unabhängigkeitskampf – nutzte die Raksha-Bandhan-Tradition 1905 sogar politisch: Er forderte die zerstrittenen Moslems und Hindus auf, einander Rakhis ums Handgelenk zu knüpfen. So sollten sie zeigen, dass sie einander verbunden sind – egal, welchen Glaubens sie sind.

Unser Band der Hilfe

Dank Ihrer Hilfe können wir jeden Tag Mitmenschlichkeit leben und das Band der Hilfe immer fester knüpfen. Dafür danke ich Ihnen von Herzen. Bleiben Sie uns verbunden!

Ihre Tara Stella Deetjen

Back to Life e.V.